Zwei Männer sitzen behaglich beisammen. "Für den Freund die Zither spielen" – und genau das drückt die Tusche-Zeichnung von Zhang Lu (1490–1563) aus. Die Freude des einen, für den Freund zu spielen, und die Freude den anderen, dem Freund zuzuhören. In Shen Zhous meisterhafter Tuschezeichnung "Dichter auf einem Berggipfel" ist der besagte Dichter nur in bescheidenen Umrissen auf einem aus Nebelschwaden steil aufragendem Felsenplateau zu erkennen, die schroffe Berglandschaft "künstlich" mit Büschen, Zedern und Fichten und zwei, drei Häuschen drapiert. Wie unterschiedlich "realistische" Malerei sein kann! Es sind meditative Miniatur-Geschichten, die die Künstler der Ming-Dynastie mit ihrer wundervollen Tinten- und Waschmalerei erzählen. Und obwohl es figurative Malerei ist, so ist sie doch auch gleichzeitig auf wenige Pinselstriche und Umrisse reduziert und abstrahiert: Menschen, Wald oder Felsen sind erkennbar, aber die Bilder suchen nach dem Wesen der Landschaft, die mit weichem, zartem Tuschestrich eher eine Stimmung und Atmosphäre evoziert. Realistisch – ja. Aber es ist eben ein ganz anderer Realismus als nach europäischem Verständnis. Chinesische Kunst war über Jahrhunderte in der Tradition verhaftet. Große stilistische Brüche sind in ihr vom 7. bis weit in das 20. Jahrhundert hinein nicht erkennbar, vergleichbar mit der ebenfalls in festen Vorgaben, Themen, Mustern, Figuren oder Farben erstarrten Ikonenmalerei. Die chinesische Kunst aber als Kunst der reinen Kopie zu verstehen, ist falsch: Wenn chinesische Künstler ihre Vorgänger nachahmten, ging es um Annäherung an die Vorbilder, um ihre Interpretation.
Aus chinesischer Sicht bedeutete die Ming-Dynastie (1368–1644) nach der Fremdherrschaft der Mongolen in der Yuan-Dynastie die Rückkehr zur chinesischen Tradition, eine Restauration nicht nur der heimischen Herrscherschicht. Die Kunst der Ming-Zeit griff zurück auf die Vorbilder der Song- und Tang-Dynastie (960–1279 und 618–907) und ging besonders im 14. Jahrhundert rigoros gegen "Abweichler" vor; viele Künstler wurden verhaftet und umgebracht. Allerdings gab es anders als in den früheren Epochen keine zentrale Kunstakademie am Hof; Ming-Künstler zogen sich in die Sicherheit ihrer Heimatregionen zurück. In der Ming-Zeit gelten zwei Schulen, die mit ihren Landschafts-, Vogel- und Blumenkompositionen brillieren, als vorherrschend: die Zhe-Schule in der Provinz Zhejiang und die Wu-Schule in der Provinz Suzhou an der Yangtse-Mündung, beide im Südosten des Reiches. Die Zhe-Schule ist bekannt für ihre expressive Tuschemalerei. In der Wu-Schule dominieren Kalligraphie-Techniken, also feine Pinselstriche in der Tradition der chinesischen Schriftkunst, deren Linienführung nicht nur die Stimmungslage, sondern die Persönlichkeit des Künstlers wiedergibt. Ab dem späten 15. Jahrhundert wurde die Wu-Schule immer wichtiger, zu der auch Shen Zhou (1427–1509) mit seinem "Dichter auf einem Berggipfel" zählt. Er gilt als ein Hauptvertreter der Wu-Schule. Anders als die verbeamteten Zhe-Hofmaler und wie viele Wu-Künstler nach ihm war er nicht im Rahmen der offiziellen chinesischen Beamtenkarriere als professioneller Maler tätig, sondern ein sogenannter Gentleman-Künstler, ein Gelehrter und "Amateur", der nicht im Auftrag des Hofes tätig war, sondern sich (finanziell) unabhängig der Kunst widmete.
Gegen Ende der Ming-Epoche, im 17. Jahrhundert, werden die Kunstwerke zunehmend freier und unabhängiger von althergebrachten Stilen – aus chinesischer Sicht: "wild" und "chaotisch". Zudem sind mit dem vereinzelten Auftauchen von Licht-Schatten- und Perspektiv-Effekten erste europäische Einflüsse zu bemerken, nachdem durch Jesuitenmissionare Stiche und Ölbilder nach China gelangt waren.
Zwei Männer sitzen behaglich beisammen. "Für den Freund die Zither spielen" – und genau das drückt die Tusche-Zeichnung von Zhang Lu (1490–1563) aus. Die Freude des einen, für den Freund zu spielen, und die Freude den anderen, dem Freund zuzuhören. In Shen Zhous meisterhafter Tuschezeichnung "Dichter auf einem Berggipfel" ist der besagte Dichter nur in bescheidenen Umrissen auf einem aus Nebelschwaden steil aufragendem Felsenplateau zu erkennen, die schroffe Berglandschaft "künstlich" mit Büschen, Zedern und Fichten und zwei, drei Häuschen drapiert. Wie unterschiedlich "realistische" Malerei sein kann! Es sind meditative Miniatur-Geschichten, die die Künstler der Ming-Dynastie mit ihrer wundervollen Tinten- und Waschmalerei erzählen. Und obwohl es figurative Malerei ist, so ist sie doch auch gleichzeitig auf wenige Pinselstriche und Umrisse reduziert und abstrahiert: Menschen, Wald oder Felsen sind erkennbar, aber die Bilder suchen nach dem Wesen der Landschaft, die mit weichem, zartem Tuschestrich eher eine Stimmung und Atmosphäre evoziert. Realistisch – ja. Aber es ist eben ein ganz anderer Realismus als nach europäischem Verständnis. Chinesische Kunst war über Jahrhunderte in der Tradition verhaftet. Große stilistische Brüche sind in ihr vom 7. bis weit in das 20. Jahrhundert hinein nicht erkennbar, vergleichbar mit der ebenfalls in festen Vorgaben, Themen, Mustern, Figuren oder Farben erstarrten Ikonenmalerei. Die chinesische Kunst aber als Kunst der reinen Kopie zu verstehen, ist falsch: Wenn chinesische Künstler ihre Vorgänger nachahmten, ging es um Annäherung an die Vorbilder, um ihre Interpretation.
Aus chinesischer Sicht bedeutete die Ming-Dynastie (1368–1644) nach der Fremdherrschaft der Mongolen in der Yuan-Dynastie die Rückkehr zur chinesischen Tradition, eine Restauration nicht nur der heimischen Herrscherschicht. Die Kunst der Ming-Zeit griff zurück auf die Vorbilder der Song- und Tang-Dynastie (960–1279 und 618–907) und ging besonders im 14. Jahrhundert rigoros gegen "Abweichler" vor; viele Künstler wurden verhaftet und umgebracht. Allerdings gab es anders als in den früheren Epochen keine zentrale Kunstakademie am Hof; Ming-Künstler zogen sich in die Sicherheit ihrer Heimatregionen zurück. In der Ming-Zeit gelten zwei Schulen, die mit ihren Landschafts-, Vogel- und Blumenkompositionen brillieren, als vorherrschend: die Zhe-Schule in der Provinz Zhejiang und die Wu-Schule in der Provinz Suzhou an der Yangtse-Mündung, beide im Südosten des Reiches. Die Zhe-Schule ist bekannt für ihre expressive Tuschemalerei. In der Wu-Schule dominieren Kalligraphie-Techniken, also feine Pinselstriche in der Tradition der chinesischen Schriftkunst, deren Linienführung nicht nur die Stimmungslage, sondern die Persönlichkeit des Künstlers wiedergibt. Ab dem späten 15. Jahrhundert wurde die Wu-Schule immer wichtiger, zu der auch Shen Zhou (1427–1509) mit seinem "Dichter auf einem Berggipfel" zählt. Er gilt als ein Hauptvertreter der Wu-Schule. Anders als die verbeamteten Zhe-Hofmaler und wie viele Wu-Künstler nach ihm war er nicht im Rahmen der offiziellen chinesischen Beamtenkarriere als professioneller Maler tätig, sondern ein sogenannter Gentleman-Künstler, ein Gelehrter und "Amateur", der nicht im Auftrag des Hofes tätig war, sondern sich (finanziell) unabhängig der Kunst widmete.
Gegen Ende der Ming-Epoche, im 17. Jahrhundert, werden die Kunstwerke zunehmend freier und unabhängiger von althergebrachten Stilen – aus chinesischer Sicht: "wild" und "chaotisch". Zudem sind mit dem vereinzelten Auftauchen von Licht-Schatten- und Perspektiv-Effekten erste europäische Einflüsse zu bemerken, nachdem durch Jesuitenmissionare Stiche und Ölbilder nach China gelangt waren.
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