England Mitte des 19. Jahrhunderts. Das ist das Viktorianische Zeitalter, das Zeitalter der Königin Victoria (1819–1901), ein riesiges weltumspannendes Kolonialreich, industrielle Revolution, florierende Wirtschaft. Und es ist auch der viktorianische Stil: Opulenz, überreiche Verzierungen, exotische Materialien, ein oft geschmackloser Rückgriff auf Barock, Rokoko, auf Chippendales Möbeldesign. Mehr Schein als Sein, mehr Ornament als Gebrauchsgegenstand. Viel "Kitsch, Deko und Massenware in schlechter Qualität" würde man heute wohl sagen, denn der Nachfrage nach Innenausstattung wurde durch maschinelle Fertigung begegnet. Dagegen wendete sich das britische "Arts and Crafts movement", das international großen Einfluss auf Kunst und Design nach 1900 hatte, auf Fin de Siècle, Jugendstil, Art nouveau, Modern Style.
Ernest William Gimson gilt als einer ihrer Hauptvertreter. Er wurde 1864 in Leicester geboren, einer durch den industriellen Umbruch geprägten Stadt. Gimsons Vater war Inhaber einer Maschinenfabrik, engagierte sich aber zugleich für die Verbesserung der sozialen Verhältnisse seiner Arbeiter und als Freidenker in der "Secular Society", einem Club in der Tradition der Frühsozialisten Thomas Paine und Robert Owen. 1884 lernte der junge Gimson bei einer Veranstaltung der Secular Society William Morris (1834–1896) kennen, einem Vordenker des Arts and Crafts movement, der Gimsons wichtigster Mentor wurde. Die Kritik des Arts and Craft movement richtete sich ebenso gegen die industrielle Fertigung von übermäßig verzierten häuslichen Gegenständen, Häusern oder Brücken wie gegen die damit einhergehenden sozialen Verhältnisse der Entfremdung. Stattdessen wollte man "Arts" und "Crafts", Kunst und Handwerk, wiederbeleben und zusammenbringen. Hochwertiges Kunsthandwerk, Rückbesinnung auf einheimische Materialien und Hölzer, gemeinsames Entwerfen, Planen und Ausführen der Objekte gehörten ebenso zum Programm wie der Blick auf den Gebrauch, die Funktion: Häuser sollen bewohnt, an Tischen gegessen, auf Sesseln gemütlich gesessen werden – und genau so wollte man sie auch planen.
Gimson wurde Architekt in London, bevor er 1893 mit Kollegen die damals ungewöhnliche Entscheidung traf die neue "Werkstatt" ("Workshop", nicht Architektenbüro, die Bezeichnung war Programm) in den pittoresken Cotswolds zu eröffnen, dem Landstrich bei Cheltenham und Bristol, der auch das Jagdrevier von Inspektor Barneby ist. Das Leben war dort günstig; es gab traditionelles Bauhandwerk und gute Handwerker – und London, Birmingham und Leicester und deren zahlungskräftige Kundschaft waren trotzdem gut erreichbar. Die Möbel der Gimson-Werkstatt werden in Großbritannien daher meist auch als Cotswolds Style oder Tradition, im Deutschen als "Landhausstil" bezeichnet. Bei Ernest Gimson wurden sie handgefertigt, waren aus Massivholz und legten ihre Konstruktion offen ("open construction"), so dass zum Beispiel Zinken-Zapfen-Verbindungen nicht mit Zierleisten versteckt wurden. Dekorative Elemente wurden sehr zurückhaltend eingesetzt. Gimsons Möbel strahlen eine so klare Schönheit aus, dass es nicht verwunderlich ist, dass Gimson nicht nur das Design der Inneneinrichtung des 20. und 21. Jahrhunderts beeinflusst hat, sondern dass originale Skizzen und Möbelentwürfe oder die schlichte Ablichtung einzelner Möbel der Gimson-Werkstatt gesuchte Sammlerstücke sind.
England Mitte des 19. Jahrhunderts. Das ist das Viktorianische Zeitalter, das Zeitalter der Königin Victoria (1819–1901), ein riesiges weltumspannendes Kolonialreich, industrielle Revolution, florierende Wirtschaft. Und es ist auch der viktorianische Stil: Opulenz, überreiche Verzierungen, exotische Materialien, ein oft geschmackloser Rückgriff auf Barock, Rokoko, auf Chippendales Möbeldesign. Mehr Schein als Sein, mehr Ornament als Gebrauchsgegenstand. Viel "Kitsch, Deko und Massenware in schlechter Qualität" würde man heute wohl sagen, denn der Nachfrage nach Innenausstattung wurde durch maschinelle Fertigung begegnet. Dagegen wendete sich das britische "Arts and Crafts movement", das international großen Einfluss auf Kunst und Design nach 1900 hatte, auf Fin de Siècle, Jugendstil, Art nouveau, Modern Style.
Ernest William Gimson gilt als einer ihrer Hauptvertreter. Er wurde 1864 in Leicester geboren, einer durch den industriellen Umbruch geprägten Stadt. Gimsons Vater war Inhaber einer Maschinenfabrik, engagierte sich aber zugleich für die Verbesserung der sozialen Verhältnisse seiner Arbeiter und als Freidenker in der "Secular Society", einem Club in der Tradition der Frühsozialisten Thomas Paine und Robert Owen. 1884 lernte der junge Gimson bei einer Veranstaltung der Secular Society William Morris (1834–1896) kennen, einem Vordenker des Arts and Crafts movement, der Gimsons wichtigster Mentor wurde. Die Kritik des Arts and Craft movement richtete sich ebenso gegen die industrielle Fertigung von übermäßig verzierten häuslichen Gegenständen, Häusern oder Brücken wie gegen die damit einhergehenden sozialen Verhältnisse der Entfremdung. Stattdessen wollte man "Arts" und "Crafts", Kunst und Handwerk, wiederbeleben und zusammenbringen. Hochwertiges Kunsthandwerk, Rückbesinnung auf einheimische Materialien und Hölzer, gemeinsames Entwerfen, Planen und Ausführen der Objekte gehörten ebenso zum Programm wie der Blick auf den Gebrauch, die Funktion: Häuser sollen bewohnt, an Tischen gegessen, auf Sesseln gemütlich gesessen werden – und genau so wollte man sie auch planen.
Gimson wurde Architekt in London, bevor er 1893 mit Kollegen die damals ungewöhnliche Entscheidung traf die neue "Werkstatt" ("Workshop", nicht Architektenbüro, die Bezeichnung war Programm) in den pittoresken Cotswolds zu eröffnen, dem Landstrich bei Cheltenham und Bristol, der auch das Jagdrevier von Inspektor Barneby ist. Das Leben war dort günstig; es gab traditionelles Bauhandwerk und gute Handwerker – und London, Birmingham und Leicester und deren zahlungskräftige Kundschaft waren trotzdem gut erreichbar. Die Möbel der Gimson-Werkstatt werden in Großbritannien daher meist auch als Cotswolds Style oder Tradition, im Deutschen als "Landhausstil" bezeichnet. Bei Ernest Gimson wurden sie handgefertigt, waren aus Massivholz und legten ihre Konstruktion offen ("open construction"), so dass zum Beispiel Zinken-Zapfen-Verbindungen nicht mit Zierleisten versteckt wurden. Dekorative Elemente wurden sehr zurückhaltend eingesetzt. Gimsons Möbel strahlen eine so klare Schönheit aus, dass es nicht verwunderlich ist, dass Gimson nicht nur das Design der Inneneinrichtung des 20. und 21. Jahrhunderts beeinflusst hat, sondern dass originale Skizzen und Möbelentwürfe oder die schlichte Ablichtung einzelner Möbel der Gimson-Werkstatt gesuchte Sammlerstücke sind.
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